Sergius Golowin war schon als Kind "fast ein alpenländischer Harry Potter" - als Dichter dann Mythensammler, Vertreter eines alternativen Geschichtsbildes, ein Mitbegründer des "phantastischen Realismus" in der europäischen Dichtung.
Er wurde 1930 in Prag geboren, kam als Dreijähriger nach Bern, in das ursprüngliche Heimatland seiner Mutter, der Dichterin und Slawistin Alla v.Steiger. Von seiner Großmutter, die aus dem ostslawischen Wolhynien und Woronesch stammte, lernte er den Sinn in den mündlichen Überlieferungen zu erkennen. Bei Flüchtlingen und mehr oder weniger zu Städtern gewordenen ländlichen Volksgruppen fand er übereinstimmende Reste der Sagen und urtümlichen Volksglaubens.

Schon mit sechzehn Jahren begann er leidenschaftlich Überlieferungen zu sammeln. Von 1950 bis 1967 war er Bibliothekar in Bern und Burgdorf. Damals versuchte er, auch schriftliche Zeugnisse der Geschichten seiner Kindheit aufzufinden. Er widmete sich den Sagen der inzwischen fast verschwundenen Berufsgruppen der Hirten, Köhler, Fischer, Gebirgsjäger, Baderinnen, Spielleute und besonders dem verfolgten "fahrenden Volk".

Der Volkskundler Prof. Dr. Arnold Niederer schrieb über ihn: "Zu wenig beachtete Kulturen der Vergangenheit und Gegenwart finden in ihm ihren kundigen Sammler und beredten Schilderer." Und Friedrich Dürrenmatt sagte über ihn anlässlich der Weiterleitung seines Literaturpreises des Standes Bern an Golowin: "Sein Herz gehört den Vogelfreien unseres Rechtsstaates. Er sucht Gerechtigkeit für jene, die für uns immer unrecht haben."

Zusammen mit Freunden, wie bereits 1951 mit dem Wiener Dichter H.C. Artmann, wurde er zum Begründer von Arbeitsgruppen, die den Wurzeln der Erzählkunst nachgingen.

Von 1971 - 1981 engagierte sich Sergius Golowin als Mitglied des Berner Grossen Rates für eine aufgeschlossene alpenländische Kulturpolitik. 1974 erhielt er den Preis der schweizerischen Schillerstiftung für seine Verdienste um die Volkskunde und die Kulturen am Rande der Gesellschaft. Heute ist er freier Schriftsteller in Allmendingen im Aaretal bei Bern.

Seine Essays zu Geschichte und Überlieferungen der Schweiz und Europas sind Ergebnisse intensiven Forschens, vieler Gespräche und Vorträge an über 2000 Abenden, bei denen er immer wieder Ergänzungen zu seinen Erzählungen erfuhr und gleichzeitig die Wahrheit der Volksweisheit erkannte: "Wer die zeitlosen Geschichten gut weitererzählen will, muss vor allem lernen, gut zuzuhören."

Auch im Werk "Die grossen Mythen der Menschheit" (Herder 1998) , geht er vom Glauben der letzten europäischen Nomaden aus: Völker, die ihre Märchen vergessen, verlieren ihre Sprache und ihre Lebensart, sie verlöschen...