Das zentrale Werk von Barbara Grafs Ausstellung ist das Thoraxkleid, eine neue Arbeit aus der Reihe «Anatomische Gewänder». Das Prinzip dieses Objekts ist die Wiederholung, das Ausbreiten eines Elementes über den ganzen Körper. Das Gewand basiert auf zwei Elementen, die ähnlich einem Zippverschluss ineinander greifen und einen Mechanismus zum Öffnen und Verschließen bilden. Diese fünf zweiteiligen Kartonschnallen befinden sich auf der Höhe des Thorax; sie bilden einen zweiten, vorgelagerten Brustkorb und wirken gleichzeitig wie ein Abschnitt aus einer monumentalen Wirbelsäule. Diese Elemente, welche Knochen oder Maschinenteilen gleichen, finden wir wieder, als perspektivische Zeichnungen in die textilen Flächen des Gewandes eingenäht. Aneinandergereiht bilden sie ein fortlaufendes Ornament, welches sich vom Fuß über den Scheitel bis zur Ferse zieht.
In der gezeichneten Bedienungsanleitung wird das Gewand als flexible Skulptur und seinen verschiedenen möglichen Zuständen beschrieben; ebenso ermöglicht diese Gebrauchsanweisung das Zerlegen- und Zusammensetzen der Einzelteile, sowie das Einpacken in die zugehörige Tasche. Die dreidimensionalen Formen lassen sich auch in verschiedenen Kombinationen zu Kleininstallationen zusammenfügen. Als Bauelemente verwendet, werden sie zu autonomen Plastiken.
In weiteren Objekten und Bleistiftzeichnungen Barbara Grafs wird sichtbar, wie sich Körperebenen verschieben. Der Körper erhält scheinbare anatomische Hilfen, welche eine neue Funktion ermöglichen, ihn aber gleichzeitig einschränken wie etwa die «Handausruheschachtel» oder die «Wangenklappen». Grafs imaginäres Eindringen in den Körper zeigt sich in ihren beinahe wissenschaftlich anmutenden Bleistiftzeichnungen. Ihr Strich tastet die Figuren ab und lässt sie nahezu transparent erscheinen - Inneres oder Dahinterliegendes wird aufgedeckt, Sichtbares und Unsichtbares vermischen sich.
In der Ausstellung präsentieren sich die Objekte wie «Schmuckstücke»: um den Körper herumgebaute Formen, anatomische Schachteln, welche sich in Abwesenheit des sie ausfüllenden Körpers als eigenständige architektonische Gebilde oder Hüllen-Skulpturen präsentieren. Die Künstlerin zeigt einmal mehr ihren subtilen und auch irritierenden Umgang mit dem Körper. Der ans Brachiale grenzende Ausdruck verbindet sich mit einer nahezu klassischen Eleganz.